BSV Kickers – Finanzplan könnte Ausgliederung retten

Fußball – Experten und Verein tüfteln an Lösung.


Auf dem Sportplatz hat Fußball-Oberligist Kickers Emden am Sonntag einen furiosen und wichtigen Sieg gegen Atlas Delmenhorst gefeiert. 2200 Zuschauer sahen zu im Ostfriesland-Stadion. Noch viel bedeutender ist aber gerade das, was den Augen der Öffentlichkeit verwehrt bleibt. Hinter den Kulissen arbeiten Verein, Steuerberater und Anwälte am entscheidenden Jahresabschluss (mit Stichtag 30. Juni 2023) und versuchen, die Grundlage für die Ausgliederung der ersten Herren in eine GmbH zu schaffen. Das Problem: Auf der Mitgliederversammlung im September wurde deutlich, welche Schuldenberge Kickers zeitweise vor sich her schob – und das Jahr in der Regionalliga, das finanziell offenbar einen weiteren Schlag ins Kontor darstellt, war da noch gar nicht eingerechnet.

Erste Bilanz von 2022

Der Steuerberater des BSV, Hendrik Poppinga von der Kanzlei Poppinga, Stomberg und Kollegen, hatte auf der Versammlung vor zwei Wochen einen detaillierten Einblick in die Finanzsituation des Vereins gegeben. Der dort präsentierte Jahresabschluss bezog sich auf den Zeitraum bis zum 30. Juni 2022, also die Meistersaison in der Oberliga. Unter dem Strich ergab sich eine bilanzielle Überschuldung des BSV von gut 230.000 Euro. Weil Kickers aber das Stadion im Wert von mehr als 300.000 Euro als stille Reserve einbringen konnte, durfte der Finanzexperte letztlich seinen Segen geben. Rein rechnerisch ergibt sich durch die Berücksichtigung des Stadions sogar ein Polster von über 70.000 Euro.

Mit seinem Tafelsilber hat der BSV Kickers alles in allem den ersten Jahresabschluss gerettet. Doch weil nun nach der Bilanz vor der Bilanz ist, wird es spannend. Denn mit dem Abschluss zum 30. Juni 2023 steht und fällt die Ausgliederung. Lukas Christians, mit dem Fall Kickers Emden betrauter Prokurist bei Poppinga, Stomberg und Kollegen, drückt es so aus: „Man kann nichts ausgliedern, das überschuldet ist.“

Alles verloren?

Genau damit ist im Falle des BSV aber zu rechnen. Eine Überschuldung ist nach Lage der Dinge unausweichlich. Also alles verloren? Ziehen Emdens Hoffnungsträger Henning Rießelmann und sein Team bald wieder ab? Nein. So schwarz sieht man die Zukunft zumindest beim BSV nicht. Eher im Gegenteil.

„Das ist eine große Aufgabe, aber im Moment bin ich guter Dinge“, stellt Albert Ammermann, 2. Vorsitzender des Vereins, fest. Er ist ständig im Austausch mit den Finanzexperten, liefert weiteres Datenmaterial, begleitet den Prozess von Vereinsseite – und versucht, die Ausgangslage für die GmbH-Gründung zu verbessern.

Die Hoffnung: Sponsoren, Gönner oder Gläubiger könnten weiteres Geld in den Verein pumpen oder auf Forderungen verzichten, weil Kickers durch den Einstieg von Rießelmann eine einmalige Chance hat. Tatsächlich wurden die Schulden laut Vorstand auch schon reduziert. „Das Meiste haben wir in der zweiten Jahreshälfte abgebaut“, sagt Ammermann.

Keine Auswirkungen

Das wäre zwar einerseits erfreulich und würde dazu beitragen, dass Kickers sich dem von Rießelmann geforderten „weißen Blatt Papier“ – was nichts anderes als Schuldenfreiheit bedeutet – annähert. Andererseits hat ein Schuldenabbau im zweiten Halbjahr aber keine Auswirkungen mehr auf die Bilanz des Regionalliga-Jahres bis zum 30. Juni 2023. Obwohl. Ganz so einfach ist das dann auch wieder nicht.

Denn kann eine später erbrachte Leistung mit dem Bilanzzeitraum in Verbindung gebracht werden, kann sie dort doch noch mit einfließen. So erklärt es Steuerberater Christians. Fiktives Beispiel: Ein Sponsor hat im August (also nach dem Stichtag) 10.000 Euro an den BSV Kickers Emden gezahlt, seine Bande wurde aber bereits im Mai (vor dem Stichtag) aufgestellt. Hier ließe sich ein Bezug in den Bilanzzeitraum herstellen, die 10.000 Euro könnten einfließen. Diesen Bezug rechtssicher herzustellen, ist eine der Aufgaben des Finanzexperten und seiner Kollegen, an denen sie aktuell arbeiten.

Überlebensfähigkeit

Aber auch, wenn sie nicht in den Jahresabschluss der Regionalliga-Saison einfließen dürfen, können unverhoffte Einnahmen oder aufgegebene Forderungen nach dem Stichtag dazu beitragen, das Projekt Ausgliederung zu realisieren. Denn mittels eines Finanzplanes kann der Verein selbst bei einer Überschuldung zum 30. Juni 2023 die zukünftige Überlebensfähigkeit unter Beweis stellen. Wichtig ist, dass der Steuerberater eine Fortführung des Unternehmens – beziehungsweise des Vereins – bescheinigen kann. Kickers-Vorstand Ammermann kündigt denn auch an: „Die Bilanz wird schlechter ausfallen, als das tatsächliche Ergebnis jetzt ist.“

„Zeitlich optimistisch“

Ob Jahresabschluss und Finanzplan letztlich so ausfallen, dass beim BSV alles wie erhofft laufen kann, will Lukas Christians nicht abschließend prognostizieren. Er ist aber immerhin „zeitlich definitiv optimistisch“. Soll heißen: Der Steuerberater rechnet damit, dass ein aussagekräftiger Jahresabschluss rechtzeitig fertig wird. „Wir haben einen Plan ausgearbeitet mit dem Vorstand, dem Rießelmann-Team und den Anwälten, was wann vorliegen muss“, so Christians. Ende Oktober, spätestens Anfang November, soll alles intern fertig sein, damit die Mitglieder auf der für November geplanten Versammlung über die Ausgliederung abstimmen können.

Was dazu noch wichtig ist:
 

230.221 Euro beträgt die bilanzielle Überschuldung des BSV Kickers Emden zum 30. Juni 2022. Dabei handelt es sich allerdings nicht ausschließlich um offene Rechnungen, die schnell bezahlt werden müssen. Vielmehr fließen auch andere Position, wie ein Darlehen auf das Vereinsheim in Höhe von 150.000 Euro, mit ein.

531.000 Euro betrugen die Einnahmen im Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2022. Nach Abzug aller Kosten blieb ein Minus von 82.700 Euro. Größter Posten auf der Ausgabenseite: das Personal mit 328.300 Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus Gehältern (254.500 Euro) sowie Abgaben und und Fahrtkosten.

307.000 Euro ist das Stadion laut Gutachter wert. Mit dieser „stillen Reserve“ wurde die Bilanz des Meisterjahres ausgeglichen. Nun ist das Tafelsilber aber „weg“ und es drängt sich die Frage auf, wie Kickers die Bilanz 2023 retten will. Der Jahresabschluss zum 30. Juni 2023 ist maßgeblich für das Projekt Ausgliederung in eine GmbH.

Quelle: Emder Zeitung vom 11.10.2023
www.EmderZeitung.de